Zur Notwendigkeit eines JUNKTIM

Veränderung braucht Verbindung – zwischen Praxis und Forschen.

Psychotherapie wirkt, wie zuerst Annemarie Dührssen und Eduard Jorswieck in Ihrer berühmten Studie 1965 publizierten – seitdem konnte die Frage wie wirkt Psychotherapie Raum einnehmen. Nach Jahrzehnte langen „Pferderennen“, in denen sich v.a. die beiden dominanten psychotherapeutischen Schulen psychodynamischer Therapieformen und kognitiver Verhaltenstherapie um ihren Status als Goldstandard für Psychotherapie gestritten haben, kommen internationale Übersichtsarbeiten zum Stand der Psychotherapieforschung zum Ergebnis vergleichbarer Wirkungen zwischen den Behandlungsverfahren. Wie Saul Rosenzweig bereits 1936 und an späterer Stelle Lester Luborsky und Kollegen mit dem Dodo-Effekt festgestellt haben, ist es sinnvoller, nicht nach einer generellen Überlegenheit, sondern nach differenziellen Effekten im psychotherapeutischen Prozess zu suchen.

Zunächst ist es bemerkenswert, dass die psychotherapeutischen Strömungen mit ihren Gegensätzen und Widersprüchen (bspw. unbewusste vs bewusste Vorgänge oder zeitlich Vergangenes vs Aktuelles), die seit diesem Jahr im Bereich der kassenärztlichen Versorgung in Deutschland um die Systemische Psychotherapie erweitert wurden, jeweils „heilende Wirkungen“ entfalten. Vielleicht ist es ja gerade der Gewinn psychotherapeutischer Profession, diese(erweiterten) Widersprüche nicht nur anzuerkennen und auszuhalten, sondern im Sinne einer „exzentrischen Position“ (Helmuth Plessner) bzw. einer doppelten Bewusstseinslage als Berührungspunkt von Negation und Position zu begreifen (Michael B. Buchholz): Im Sich-Entgegenlaufen der unterschiedlichen Strömungen wird ihre wechselseitige Bezogenheit erst deutlich. Eben weil Psychotherapie sich einem der komplexesten (sozialen) Systeme überhaupt widmet: Menschen-in-Interaktion und in Komplexität angereichert wird dadurch, dass diese Interaktionen analysiert werden von – Menschen. Ohne dieses Paradoxon lösen zu können, wollen wir darauf abzielen, dass es auf die Vermittlung zwischen wissenschaftlichem Nachweis der Behandlungswirkung und der Verwirklichung in der klinischen Praxis (Horst Kächele) ankommt. Dieses Ziel entspringt aus der Notwendigkeit einer Verknüpfung von Forschung und klinischer Praxis als eine Kunst, zwischen den Rollen als Wissenschaftler und Praktiker zu changieren, statt ein Dogma des Primats des einen oder anderen aufzustellen.

Aber inwiefern können wir diese Verknüpfung von klinischer Praxis oder Heilen und Forschen verstehen? Das Freud’sche Junktim von „Heilen und Forschen“ ist in psychoanalytischen Auseinandersetzungen bekannt. Hier sei es gleich noch einmal wiederholt, weil sich daran manches weiter entwickeln lässt.

„In der Psychoanalyse bestand von Anfang ein Junktim zwischen Heilen und Forschen, die Erkenntnis brachte den Erfolg, man konnte nicht behandeln, ohne etwas Neues zu erfahren, man gewann keine Aufklärung, ohne ihre wohltätige Wirkung zu erleben. Unser analytisches Verfahren ist das einzige, bei dem dies kostbare Zusammentreffen gewahrt bleibt. Nur wenn wir analytische Seelsorge treiben, vertiefen wir unsere eben aufdämmernde Einsicht in das menschliche Seelenleben.“ (Freud, 1927, S. 293)

Helmut Thomä und Horst Kächele haben immer wieder auf die „wohltätige Wirkung“ hingewiesen, die Freud aus „analytischer Seelsorge“ entstehen sah. Heute hat dieses Junktim jedoch eine etwas problematische Wirkung entfaltet daraus, dass, wer will, sich schon durch die psychoanalytische Ausbildung allein als „Forscher“ geadelt sehen kann. Akademische Forschung ist jedoch etwas ganz anderes; bevor es weiter um das Wie dieser Verbindung zwischen „analytischer Seelsorge“ und „Forschung“ gehen wird, ein weiteres Problem in der Freud’schen Version des Junktim:

„Es ist zwar einer der Ruhmestitel der analytischen Arbeit, daß [sic!] Forschung und Behandlung bei ihr zusammenfallen, aber die Technik, die der einen dient, widersetzt sich von einembestimmten Punkte an doch der andern. Es ist nicht gut, einen Fall wissenschaftlich zu bearbeiten, solange seine Behandlung noch nicht abgeschloßen [sic!] ist, seinen Aufbauzusammenzusetzen, seinen Fortgang erraten zu wollen, von Zeit zu Zeit Aufnahmen desgegenwärtigen Status zu machen, wie das wissenschaftliche Interesse es fordern würde. Der Erfolg leidet in solchen Fällen, die man von vornherein der wissenschaftlichen Verwertung bestimmt und nach deren Bedürfnissen behandelt; dagegen gelingen jene Fälle am besten, bei denen man wie absichtslos verfährt, sich von jeder Wendung überraschen läßt [sic!], und denen man immer wieder unbefangen und voraussetzungslos entgegentritt.“ (Freud, 1912, S. 380)

Was Freud hier formuliert über die wissenschaftliche Bearbeitung eines Falles, bezieht sich auf eine Zeit, in der eine Falldarstellung in medizinischen oder pädagogischen Zusammenhängen publiziert wurde, um auf das Neuartige oder Abweichende eines Falles hinzuweisen. Der Fall – das ist hier ein Patient oder eine Patientin.

Tatsächlich jedoch ist der Rat, erst nach Abschluss der Behandlung wissenschaftlich zu arbeiten, nicht mehr up-to-date. Im Gegenteil, es gibt keinen Grund, warum man das vermeiden sollte. Ein klassisches Beispiel ist jener Therapeut, der seine Band-Aufnahme einer Arbeitsgruppe in Ulm (unter der damaligen Leitung von Horst Kächele) zur Verfügung stellte, während er noch behandelte; der Grund war, dass er eine Stagnation in der Behandlung empfand. Die Arbeitsgruppe, die das Band anhörte, merkte rasch, dass der Behandler fast jeden seiner Sätze mit einem „Ja, aber …“ einleitete – was dem Behandler selbst überhaupt nicht in den Blickgekommen war. Er begriff schnell, dass damit ein Problem verbunden war, die Behandlung nahm wieder Fahrt auf.

So einfach wird es nicht immer gehen. Aber es zeigt, dass mit solchen Mitteln auch auf laufende Behandlungen positiv eingewirkt werden kann.

Die Gründungsmitglieder des Vereins haben langjährige Erfahrungen durch Kooperationen in der Untersuchung therapeutischer (psychoanalytischer, tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer) Gespräche. Das allgemeine Ziel ist die Verbesserung therapeutischer Gespräche durch Zusammenarbeit von PraktikerInnen und GesprächsforscherInnen. Die konkreten Ziele der Vereinsarbeit sind:

  1. Durchführung wissenschaftlicher Lehr- und Forschungsveranstaltungen
  2. Anlage und Verwaltung einer Sammlung pseudonymisierter audio- sowie videographierter Sitzungen
  3. Durchführung von Forschungsvorhaben und zeitnahe Veröffentlichung
  4. Kooperationen mit bestehenden psychotherapeutischen Weiterbildungsinstituten

Psychotherapie muss in diesem Sinn nicht nur als Anwendung von theoretischem und Veränderungswissen angesehen werden, sondern v.a. als Vollzug eines performativen Wissens.

Die meisten Ausbildungen trainieren ihre Kandidaten in Theorie und deren Anwendung, übersehen aber, dass Anwendungen nur im technischen Bereich möglich sind. Im humanen Bereich muss Psychotherapie immer durch Finden eines originellen Weges, durch Individualisierung, Interaktion und Intimität (des Sprechens) realisiert werden. Moderne Forschung mündet in der Einsicht, dass Psychotherapie für jeden Patienten geradezu singulär und neu erfunden werden muss. Das macht insbesondere die Kindertherapie unmittelbar einsichtig.

Für diese performative Dimension des therapeutischen Könnens werden Psychotherapeuten zu wenig geschult. Und Konversationsforscher übernehmen zu leicht die Theorien, die innerhalb der Psychotherapie ausgebildet wurden. Hier, genau an dieser Stelle setzt der Kooperationsbedarf für ein institutionalisiertes Junktim ein. Die oben genannten differenziellen Effekte lassen sich daran zeigen, dass es beschreibbare Momente des therapeutischen Prozesses gibt, an denen viel entgleisen oder aber gelingen kann.

Außer den regelmäßigen Mitgliederversammlungen und Jahrestagungen sollen die Mitglieder zu Themen ihrer Wahl Arbeitsgruppen bilden, die sogenannten JUNKTIM Qualitätszirkel. Wichtig ist, dass in den Arbeitsgruppen nicht nur ForscherInnen, sondern mindestens ein/e KlinikerIn vertreten sein sollte, nach Möglichkeit aber mehr. Am besten paritätisch, aber das wird die Zukunft weisen und ist ja abhängig von der Anzahl der entsprechenden Mitglieder.

Generelle Leitlinie, unter denen solche Gruppen arbeiten, muss ein Prinzip sein, dass die Besprechungen keine Supervisionen sind. Es geht nicht darum, einem Material vorstellende/n KlinikerIn zu sagen, was diese/r besser täte oder besser ließe. KlinikerInnen behalten die volle Verantwortung für die Durchführung der Behandlung. Ziel muss sein, dass die Gesprächsanalyse lernt, mit welchen Themen und Problemen sich KlinikerInnen mühsam beschäftigen, wie diese in den Theorie-Korpus der Gesprächsanalyse übersetzt werden können und Ziel muss andererseits sein, dass KlinikerInnen lernen, dass und wie sie durch ihre kommunikative Mitbeteiligung den Prozess unbewusst steuern, nämlich auf eine Weise, für die die Gesprächsanalyse etwas mehr Aufmerksamkeit entwickelt hat, während sie in der klinischen Erörterung meist zu wenig beachtet wird. Formen der Arbeitsgruppen sollten, aber nicht nur, wie folgt gestaltet werden:

  • Die Arbeitsgruppen sollten sich wenigstens einmal im Monat treffen, aber auch eine höhere Frequenz ist denkbar.
  • Eine sehr wichtige Arbeitsgruppe muss sich mit der Frage der Datensicherheit, Aufbewahrung, Diskretion usw. beschäftigen und dafür Regeln für alle anderen Arbeitsgruppen formulieren.
  • Arbeitsformen sind zunächst Datensitzungen. Von klinischen TeilnehmerInnen mitgebrachte Aufnahmen müssen transkribiert, gegengelesen und dann diskutiert werden.
  • Ein nächster Schritt sind Formulierungen von Hypothesen über das, was in einem Transkript zu beobachten ist, wie es formuliert werden kann, welche konversationellen Formate zu beschreiben sind und welche klinischen Schlussbildungen möglich werden.
  • Die Arbeitsgruppen sollten sich dann, in etwa halbjährlichem Abstand, mit einer anderen Arbeitsgruppe treffen und sich gegenseitig das Erarbeitete vorstellen.
  • Einmal im Jahr sollte dann eine Tagung stattfinden (in deren Rahmen dann auch die Mitgliederversammlung), auf der die Ergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Daraus können und sollen Publikationen gefertigt werden.
  • Wir hoffen so nicht nur auf gegenseitige Beratung und Information zwischen den Professionen, sondern auch den Arbeitsgruppen, insbesondere auch Hinweise auf einzuwerbende Geldmittel.

Therapeutische Wirklichkeit anhand tatsächlicher Psychotherapie-Konversationen zu untersuchen, ist bereits vielfach und fruchtbar entfaltet worden. Beispielhaft für diese gesprächsanalytischen Untersuchungen therapeutischen Sprechens sind als Folgen für die Praxis aus Analysen von der Praxis lehr- und lernbar:

  • Therapeutische Theorie sollte sich auf Situationismus (Buchholz 2016, 2017), also charakteristische Situationen, die TherapeutInnen handhaben lernen sollten, beziehen
  • Typische Problematische Situationen (TPS), etwa wenn PatientInnen nach Fragen schweigen, TherapeutInnen Fragen stellen, die der gar nicht beantworten kann, komplexe Anspielungen machen o.dgl. Diese Liste könnte leicht verlängert werden (Buchholz, 2016, 2017)
  • Patienten helfen, Probleme vor der Beendigung der aktuellen Stunde möglichst früh ansprechen zu lassen (Dittmann, 2016)
  • Unterscheiden, i) wann und ob Teilnehmende etwas sagen oder schweigen (Levitt, 2010) und ii) wie die stotternde Interaktionsmaschinerie durch konversationellen Bezug auf die eigenen Gedanken nach langen Schweigemomenten wieder zum Laufen gebracht werden kann (Dreyer & Franzen, 2021)
  • Kommunikative Gestalten in Entwicklung und Dynamik einer therapeutischen Beziehung sehen lernen
  • Bewusstheit der TherapeutInnen über die Metaphernhaftigkeit der Theorien und den damit verbundenen Schlussfolgerungen für das therapeutische Sprechen erlangen
  • Wiederkehrende Metaphoriken oder Sprechschablonen, die sich kontinuierlich über einen therapeutischen Verlauf entwickeln und diesen strukturieren, pathoplastisch von großer Bedeutung sind, und eine besondere Aufmerksamkeit brauchen – nämlich über viele Stunden hinweg muss ihr Auftreten im Gedächtnis bewahrt werden (Vorgeformtheiten bei Dreyer, 2022)
  • Konversationelle Spuren der therapeutischen Ko-Produktion lesen lernen
  • Sich dafür öffnen: Beide Teilnehmer haben einen Einfluss (bspw. Ansprache des Therapeuten und dessen Beteiligung bei Spence, Mayes, & Dahl, 1994)
  • Passagère Symptombildungen als sequentiell angeordnet verstehen: Diese Thematik ist bereits sehr aufmerksam für die Konversation von (Ferenczi, 1927/1984) beschrieben worden. Mitten in der Stunde klagt ein Patient über Kopfschmerzen, niest mehrfach, muss auf die Toilette oder ihm entfährt ein Flatus – und Ferenczi riet damals schon, dass der Therapeut sich durch den Kopf gehen lassen solle, was unmittelbar in der Konversation voraus gegangen sei. Konversationsanalyse hat dazu Bestätigungen gefunden (Buchholz, 2019)
  • Theoretische Konzepte konversationell sichtbar machen und weiterentwickeln (mithilfe von Audio- und Video-Transkriptionen)
  • Diagnosen nicht „in“ Patienten finden, sondern wie in Balints (1976) patientenzentrierter Medizin geprägt durch Aushandlungs- und Einigungsprozesse und wechselseitiges Regulieren (Döll-Hentschker, Reerink, Schlierf, & Wildberger, 2006)
  • Die Situation im Hier-und-Jetzt nicht als Konkurrenz zur Theorie sehen, sondern als Überprüfungs- und Erweiterungsmöglichkeit hin zu einem Circulus benignus, der „die gegenseitige Förderung von (wahrer) Theorie und (effektiver) Therapie” (Thomä, Kächele, & Kübler, 1985, p. 16) bezeichnet
  • Allusives Sprechen hören lernen: Vielfach machen Patienten Anspielungen, indem sie eine Begebenheit von früher oder aus ihrem Leben außerhalb des Behandlungszimmers berichten, die eine hochgradige Anspielung auf die Interaktion mit dem Therapeuten erkennen lässt (Alder, 2016)
  • Den Unterschied zwischen technischer Anwendung und interaktionalem Vollzug verstehen
  • Formate der Positionierung erkennen: Therapeuten meinen oft, Informationsfragen zu stellen. Tatsächlich informieren diese Fragen manchmal mehr als deutlich über die Positionierung des Fragenden zu einer bestimmten Thematik, die gerade verhandelt wird. Es gibt auch Fragen, deren semantische Proposition nicht das Interessante sind, sondern wie aufwendig sie eingeleitet werden (sog. „prefaces“), wie oft sich der Fragende selbst unterbricht, neu ansetzt usw.
  • Statt Patienten zu deuten, deren Deutungen deuten (Peräkylä, 2004; Dittmann et al., 2017)
  • Statt Träume zu deuten, die Berichte von Träumen deuten als (auch wörtliche) Äußerungen (Bergmann, 2000)

Alder, M.‑L. (2016). Dream-Telling Differences in Psychotherapy: The Dream as an Allusion. In L. A. Cariola & A. Wilson (Eds.), Special Issue: Vol. 5. Conversational Analysis in Psychotherapy Process Research. Guest Editors: Prof. Michael B. Buchholz and Prof. Horst Kächele (Vol. 5, pp. 19–26). https://doi.org/10.7565/landp.v5i2.1558

Bergmann, J. (2000). Traumkonversation. In B. Boothe (Ed.), Der Traum – 100 Jahre nach Freuds Traumdeutung (pp. 41–57). Zürich: Vdf Hochschul-Verlag.

Breyer, F., Heinzel, R., & Klein, T. (1997). Kosten und Nutzen ambulanter Psychoanalyse in Deutschland. Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement2(3), 59-73. Retrieved from http://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/33473

Buchholz, M. B. (1990). Die Rotation der Triade. Forum Psychoanal6, 116–134.

Buchholz, M. B. (2016). Conversational Errors and Common Ground Activities in Psychotherapy – Insights from Conversation Analysis. International Journal of Psychological Studies8(3), 134–153. https://doi.org/10.5539/ijps.v8n3p134

Buchholz, M. B. (2017). Empathie und »Typische Problem-Situationen« (TPS). Plädoyer für einen psychoanalytischen Situationismus. Psyche – Z Psychoanal71(01), 28–59. https://doi.org/10.21706/ps-71-1-28

Buchholz, M. B. (2019). Veränderung braucht Verbindung. In E.-M. Graf, C. Scarvaglieri, & T. Spranz-Fogasy (Eds.), Pragmatik der Veränderung – Problem- und lösungsorientierte Kommunikation in helfenden Berufen (pp. 75–95). Berlin: Springer.

Dittmann, M. M. (2016). Moving closer: A Conversation Analytic Perspective on how a Psychotherapeutic Dyad Works on Closing their Encounters. In L. A. Cariola & A. Wilson (Eds.), Special Issue: Vol. 5. Conversational Analysis in Psychotherapy Process Research. Guest Editors: Prof. Michael B. Buchholz and Prof. Horst Kächele (Vol. 5, pp. 46–61). https://doi.org/10.7565/landp.v5i2.1560

Dittmann, M. M. (2017). Drei Erzählperspektiven auf ein kleines Wunder. In M.-L. Alder & M. B. Buchholz (Eds.), TRIALOG: Beobachtungen einer Konferenz der Begegnung ukrainischer, russischer und deutscher Psychotherapeuten. Mit einem Vorwort von Stephan Alder (pp. 179–201). PsyDok.

Döll-Hentschker, S., Reerink, G., Schlierf, C., & Wildberger, H. (2006). Zur Einleitung einer Behandlung: Die Frequenzwahl. PSYCHE60(11), 1126–1144. https://doi.org/10.21706/ps-60-11-1126

Dreyer, F., & Franzen, M. M. (2021). How to move on after silences: Addressing thought processes to restart conversation. In A. Dimitrijević & M. B. Buchholz (Eds.), Relational perspectives book series. Silence and silencing in psychoanalysis: Cultural, clinical, and research aspects. Abingdon, Oxon, New York, NY: Routledge. https://doi.org/10.4324/9780429350900-21

Dührssen, A., & Jorswieck, E. (1998). Eine empirisch-statistische Untersuchung zur Leistungsfähigkeit psychoanalytischer Behandlung: Nachdruck aus Nervenarzt 36, 166—169 (1965). Zeitschrift Für Psychosomatische Medizin Und Psychoanalyse44, 311–318. Retrieved from https://www.jstor.org/stable/23997428

Ferenczi, S. (1927/1984). Über passagère Symptombildungen während der Analyse (1912). In S. Ferenczi (Ed.), Bausteine zur Psychoanalyse, Band II: Praxis (pp. 9–37). Frankfurt/Berlin/Wien: Ullstein.

Freud, S. (1912). Ratschläge für den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung. G.W., Bd. 8, S.375. Frankfurt: S. Fischer.

Freud, S. (1927). Nachwort zur Frage der Laienanalyse. G.W., Bd. 14, S. 287-296. Frankfurt: S. Fischer.

Heritage, J., & Maynard, D. (2006). Analyzing interaction between doctors and patients in primary care encounters. Communication in Medical Care: Interaction Between Primary Care Physicians and Patients, 1–22.

Kächele, H. (2008). Aktuelle und zukünftige Forschungsfragen der Psychotherapie. Konzentrative Bewegungstherapie30, 28–34.

König, J. (1926). Der Begriff der IntuitionPhilosophie und Geisteswissenschaften / Buchreihe. Halle/Saale: Niemeyer.

Levitt, H. M. (2010). The unsaid in the psychotherapy narrative: Voicing the unvoiced. Counselling Psychology Quarterly15(4), 333–350. https://doi.org/10.1080/0951507021000029667

Munder, T., Flückiger, C., Leichsenring, F., Abbass, A. A., Hilsenroth, M. J., Luyten, P., . . . Wampold, B. E. (2018). Is psychotherapy effective? A re-analysis of treatments for depression. Epidemiology and Psychiatric Sciences, 1–7. https://doi.org/10.1017/S2045796018000355

Peräkylä, A. (2004). Making links in psychoanalytic interpretations: A conversation analytical perspective. Psychotherapy Research14(3), 289–307.

Plessner, H. (1975). Die Stufen des Organischen und der Mensch: Einleitung in die philosophische AnthropologieSammlung Göschen: Vol. 2200. Berlin, New York: de Gruyter (Original work published 1928). Retrieved from http://www.reference-global.com/doi/book/10.1515/9783110845341 https://doi.org/10.1515/9783110845341

Spence, D. P., Mayes, L. C., & Dahl, H. (1994). Monitoring the analytic surface. Journal of the American Psychoanalytic Association42(1), 43–64. https://doi.org/10.1177/000306519404200104

Thomä, H., Kächele, H., & Kübler, J. C. (1985). Zum Verhältnis von Theorie und Praxis der Psychoanalyse. Analyse & Kritik7(1), 3–25.

Psychotherapie wirkt, aber wie?

1. Absolute vs differenzielle Effekte
Psychotherapie wirkt, wie zuerst Annemarie Dührssen und Eduard Jorswieck in Ihrer berühmten Studie 1965 publizierten – seitdem konnte die Frage wie wirkt Psychotherapie Raum einnehmen. Nach Jahrzehnte langen „Pferderennen“, in denen sich v.a. die beiden dominanten psychotherapeutischen Schulen psychodynamischer Therapieformen und kognitiver Verhaltenstherapie um ihren Status als Goldstandard für Psychotherapie gestritten haben, kommen internationale Übersichtsarbeiten zum Stand der Psychotherapieforschung zum Ergebnis vergleichbarer Wirkungen zwischen den Behandlungsverfahren. Wie Saul Rosenzweig bereits 1936 und an späterer Stelle Lester Luborsky und Kollegen mit dem Dodo-Effekt festgestellt haben, ist es sinnvoller, nicht nach einer generellen Überlegenheit, sondern nach differenziellen Effekten im psychotherapeutischen Prozess zu suchen.
2. Nachweis der Behandlungswirkung & Verwirklichung klinischer Praxis
Zunächst ist es bemerkenswert, dass die psychotherapeutischen Strömungen mit ihren Gegensätzen und Widersprüchen (bspw. unbewusste vs bewusste Vorgänge oder zeitlich Vergangenes vs Aktuelles), die seit diesem Jahr im Bereich der kassenärztlichen Versorgung in Deutschland um die Systemische Psychotherapie erweitert wurden, jeweils „heilende Wirkungen“ entfalten. Vielleicht ist es ja gerade der Gewinn psychotherapeutischer Profession, diese(erweiterten) Widersprüche nicht nur anzuerkennen und auszuhalten, sondern im Sinne einer „exzentrischen Position“ (Helmuth Plessner) bzw. einer doppelten Bewusstseinslage als Berührungspunkt von Negation und Position zu begreifen (Michael B. Buchholz): Im Sich-Entgegenlaufen der unterschiedlichen Strömungen wird ihre wechselseitige Bezogenheit erst deutlich. Eben weil Psychotherapie sich einem der komplexesten (sozialen) Systeme überhaupt widmet: Menschen-in-Interaktion und in Komplexität angereichert wird dadurch, dass diese Interaktionen analysiert werden von – Menschen. Ohne dieses Paradoxon lösen zu können, wollen wir darauf abzielen, dass es auf die Vermittlung zwischen wissenschaftlichem Nachweis der Behandlungswirkung und der Verwirklichung in der klinischen Praxis (Horst Kächele) ankommt. Dieses Ziel entspringt aus der Notwendigkeit einer Verknüpfung von Forschung und klinischer Praxis als eine Kunst, zwischen den Rollen als Wissenschaftler und Praktiker zu changieren, statt ein Dogma des Primats des einen oder anderen aufzustellen.

Verknüpfung von klinischer Praxis und Forschen

Inwiefern können wir diese Verknüpfung von klinischer Praxis oder Heilen und Forschen verstehen? Das Freud’sche Junktim von „Heilen und Forschen“ ist in psychoanalytischen Auseinandersetzungen bekannt. Hier sei es gleich noch einmal wiederholt, weil sich daran manches weiter entwickeln lässt.

1. Freuds Junktim zwischen Heilen und Forschen
„In der Psychoanalyse bestand von Anfang ein Junktim zwischen Heilen und Forschen, die Erkenntnis brachte den Erfolg, man konnte nicht behandeln, ohne etwas Neues zu erfahren, man gewann keine Aufklärung, ohne ihre wohltätige Wirkung zu erleben. Unser analytisches Verfahren ist das einzige, bei dem dies kostbare Zusammentreffen gewahrt bleibt. Nur wenn wir analytische Seelsorge treiben, vertiefen wir unsere eben aufdämmernde Einsicht in das menschliche Seelenleben“ (Freud, 1927, S. 293).
2. "Wohltätige Wirkung" des Junktims
Helmut Thomä und Horst Kächele haben immer wieder auf die „wohltätige Wirkung“ hingewiesen, die Freud aus „analytischer Seelsorge“ entstehen sah. Heute hat dieses Junktim jedoch eine etwas problematische Wirkung entfaltet daraus, dass, wer will, sich schon durch die psychoanalytische Ausbildung allein als „Forscher:in“ geadelt sehen kann. Akademische Forschung ist jedoch etwas ganz anderes; bevor es weiter um das Wie dieser Verbindung zwischen „analytischer Seelsorge“ und „Forschung“ gehen wird, ein weiteres Problem in der Freud’schen Version des Junktim...
3. Probleme des Junktims
„Es ist zwar einer der Ruhmestitel der analytischen Arbeit, daß [sic!] Forschung und Behandlung bei ihr zusammenfallen, aber die Technik, die der einen dient, widersetzt sich von einem bestimmten Punkte an doch der andern. Es ist nicht gut, einen Fall wissenschaftlich zu bearbeiten, solange seine Behandlung noch nicht abgeschloßen [sic!] ist, seinen Aufbau zusammenzusetzen, seinen Fortgang erraten zu wollen, von Zeit zu Zeit Aufnahmen des gegenwärtigen Status zu machen, wie das wissenschaftliche Interesse es fordern würde. Der Erfolg leidet in solchen Fällen, die man von vornherein der wissenschaftlichen Verwertung bestimmt und nach deren Bedürfnissen behandelt; dagegen gelingen jene Fälle am besten, bei denen man wie absichtslos verfährt, sich von jeder Wendung überraschen läßt [sic!], und denen man immer wieder unbefangen und voraussetzungslos entgegentritt“ (Freud, 1912, S. 380).
4. Patient:in als Fall
Was Freud hier über die wissenschaftliche Bearbeitung eines Falles formuliert, bezieht sich auf eine Zeit, in der eine Falldarstellung in medizinischen oder pädagogischen Zusammenhängen publiziert wurde, um auf das Neuartige oder Abweichende eines Falles hinzuweisen. Der Fall – das ist hier ein Patient oder eine Patientin.
5. Forschung in Praxis
Tatsächlich jedoch ist der Rat, erst nach Abschluss der Behandlung wissenschaftlich zu arbeiten, nicht mehr up-to-date. Im Gegenteil, es gibt keinen Grund, warum man das vermeiden sollte. Ein klassisches Beispiel ist jener Therapeut, der seine Band-Aufnahme einer Arbeitsgruppe in Ulm (unter der damaligen Leitung von Horst Kächele) zur Verfügung stellte, während er noch behandelte; der Grund war, dass er eine Stagnation in der Behandlung empfand. Die Arbeitsgruppe, die das Band anhörte, merkte rasch, dass der Behandler fast jeden seiner Sätze mit einem „Ja, aber …“ einleitete – was dem Behandler selbst überhaupt nicht in den Blick gekommen war. Er begriff schnell, dass damit ein Problem verbunden war, die Behandlung nahm wieder Fahrt auf. So einfach wird es nicht immer gehen. Aber es zeigt, dass mit solchen Mitteln auch auf laufende Behandlungen positiv eingewirkt werden kann.

Die Ziele von JUNKTIM e.V.

Die Gründungsmitglieder des Vereins haben langjährige Erfahrungen durch Kooperationen in der Untersuchung therapeutischer (psychoanalytischer, tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer) Gespräche. Das allgemeine Ziel ist die Verbesserung therapeutischer Gespräche durch Zusammenarbeit von PraktikerInnen und GesprächsforscherInnen. Die konkreten Ziele der Vereinsarbeit sind:

  • Durchführung wissenschaftlicher Lehr- und Forschungsveranstaltungen
  • Sammlung pseudonymisierter audio- sowie videographierter Sitzungen
  • Durchführung von Forschungsvorhaben und zeitnahe Veröffentlichung
  • Kooperationen mit bestehenden psychotherapeutischen Weiterbildungsinstituten
1. Psychotherapie als Performanz
Psychotherapie muss in diesem Sinn nicht nur als Anwendung von theoretischem und Veränderungswissen angesehen werden, sondern v.a. als Vollzug eines performativen Wissens.
2. Patient:innen "erfinden"
Die meisten Ausbildungen trainieren ihre Kandidaten in Theorie und deren Anwendung, übersehen aber, dass Anwendungen nur im technischen Bereich möglich sind. Im humanen Bereich muss Psychotherapie immer durch Finden eines originellen Weges, durch Individualisierung, Interaktion und Intimität (des Sprechens) realisiert werden. Moderne Forschung mündet in der Einsicht, dass Psychotherapie für jede/n Patienten/in geradezu singulär und neu erfunden werden muss. Das macht insbesondere die Kindertherapie unmittelbar einsichtig.
3. Kooperationsbedarf zwischen Forscher:innen und Kliniker:innen
Für diese performative Dimension des therapeutischen Könnens werden Psychotherapeuten zu wenig geschult. Und Konversationsforscher übernehmen zu leicht die Theorien, die innerhalb der Psychotherapie ausgebildet wurden. Hier, genau an dieser Stelle setzt der Kooperationsbedarf für ein institutionalisiertes Junktim ein. Die oben genannten differenziellen Effekte lassen sich daran zeigen, dass es beschreibbare Momente des therapeutischen Prozesses gibt, an denen viel entgleisen oder aber gelingen kann.

Beteiligungsformen in JUNKTIM e.V.

Außer den regelmäßigen Mitgliederversammlungen und Jahrestagungen sollen die Mitglieder zu Themen ihrer Wahl Arbeitsgruppen bilden, die sogenannten JUNKTIM Qualitätszirkel. Wichtig ist, dass in den Arbeitsgruppen nicht nur ForscherInnen, sondern mindestens ein/e Kliniker/in vertreten sein sollte, nach Möglichkeit aber mehr. Am besten paritätisch, aber das wird die Zukunft weisen und ist ja abhängig von der Anzahl der entsprechenden Mitglieder.

JUNKTIM Qualitätszirkel
Generelle Leitlinie, unter denen solche Gruppen arbeiten, muss ein Prinzip sein, dass die Besprechungen keine Supervisionen sind. Es geht nicht darum, einem Material vorstellende/n KlinikerIn zu sagen, was diese/r besser täte oder besser ließe. KlinikerInnen behalten die volle Verantwortung für die Durchführung der Behandlung. Ziel muss sein, dass die Gesprächsanalyse lernt, mit welchen Themen und Problemen sich KlinikerInnen mühsam beschäftigen, wie diese in den Theorie-Korpus der Gesprächsanalyse übersetzt werden können und Ziel muss andererseits sein, dass KlinikerInnen lernen, dass und wie sie durch ihre kommunikative Mitbeteiligung den Prozess unbewusst steuern, nämlich auf eine Weise, für die die Gesprächsanalyse etwas mehr Aufmerksamkeit entwickelt hat, während sie in der klinischen Erörterung meist zu wenig beachtet wird. Formen der Arbeitsgruppen sollten, aber nicht nur, wie folgt gestaltet werden:
  • Die Arbeitsgruppen sollten sich wenigstens einmal im Monat treffen, aber auch eine höhere Frequenz ist denkbar.
  • Eine sehr wichtige Arbeitsgruppe muss sich mit der Frage der Datensicherheit, Aufbewahrung, Diskretion usw. beschäftigen und dafür Regeln für alle anderen Arbeitsgruppen formulieren.
  • Arbeitsformen sind zunächst Datensitzungen. Von klinischen TeilnehmerInnen mitgebrachte Aufnahmen müssen transkribiert, gegengelesen und dann diskutiert werden.
  • Ein nächster Schritt sind Formulierungen von Hypothesen über das, was in einem Transkript zu beobachten ist, wie es formuliert werden kann, welche konversationellen Formate zu beschreiben sind und welche klinischen Schlussbildungen möglich werden.
  • Die Arbeitsgruppen sollten sich dann, in etwa halbjährlichem Abstand, mit einer anderen Arbeitsgruppe treffen und sich gegenseitig das Erarbeitete vorstellen.
  • Einmal im Jahr sollte dann eine Tagung stattfinden (in deren Rahmen dann auch die Mitgliederversammlung), auf der die Ergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Daraus können und sollen Publikationen gefertigt werden.
  • Wir hoffen so nicht nur auf gegenseitige Beratung und Information zwischen den Professionen, sondern auch den Arbeitsgruppen, insbesondere auch Hinweise auf einzuwerbende Geldmittel.

Einige Folgen für die Praxis aus Analysen von der Praxis

Therapeutische Wirklichkeit anhand tatsächlicher Psychotherapie-Konversationen zu untersuchen, ist bereits vielfach und fruchtbar entfaltet worden. Beispielhaft für diese gesprächsanalytischen Untersuchungen therapeutischen Sprechens sind als Folgen für die Praxis aus Analysen von der Praxis lehr- und lernbar:

  • Therapeutische Theorie sollte sich auf Situationismus (Buchholz 2016, 2017), also charakteristische Situationen, die TherapeutInnen handhaben lernen sollten, beziehen
  • Typische Problematische Situationen (TPS), etwa wenn PatientInnen nach Fragen schweigen, TherapeutInnen Fragen stellen, die der gar nicht beantworten kann, komplexe Anspielungen machen o.dgl. Diese Liste könnte leicht verlängert werden (Buchholz, 2016, 2017)
  • Patienten helfen, Probleme vor der Beendigung der aktuellen Stunde möglichst früh ansprechen zu lassen (Dittmann, 2016)
  • Unterscheiden, i) wann und ob Teilnehmende etwas sagen oder schweigen (Levitt, 2010) und ii) wie die stotternde Interaktionsmaschinerie durch konversationellen Bezug auf die eigenen Gedanken nach langen Schweigemomenten wieder zum Laufen gebracht werden kann (Dreyer & Franzen, 2021)
  • Kommunikative Gestalten in Entwicklung und Dynamik einer therapeutischen Beziehung sehen lernen
  • Bewusstheit der TherapeutInnen über die Metaphernhaftigkeit der Theorien und den damit verbundenen Schlussfolgerungen für das therapeutische Sprechen erlangen
  • Wiederkehrende Metaphoriken oder Sprechschablonen, die sich kontinuierlich über einen therapeutischen Verlauf entwickeln und diesen strukturieren, pathoplastisch von großer Bedeutung sind, und eine besondere Aufmerksamkeit brauchen – nämlich über viele Stunden hinweg muss ihr Auftreten im Gedächtnis bewahrt werden (Vorgeformtheiten bei Dreyer, 2022)
  • Konversationelle Spuren der therapeutischen Ko-Produktion lesen lernen
  • Sich dafür öffnen: Beide Teilnehmer haben einen Einfluss (bspw. Ansprache des Therapeuten und dessen Beteiligung bei Spence, Mayes, & Dahl, 1994)
  • Passagère Symptombildungen als sequentiell angeordnet verstehen: Diese Thematik ist bereits sehr aufmerksam für die Konversation von (Ferenczi, 1927/1984) beschrieben worden. Mitten in der Stunde klagt ein Patient über Kopfschmerzen, niest mehrfach, muss auf die Toilette oder ihm entfährt ein Flatus – und Ferenczi riet damals schon, dass der Therapeut sich durch den Kopf gehen lassen solle, was unmittelbar in der Konversation voraus gegangen sei. Konversationsanalyse hat dazu Bestätigungen gefunden (Buchholz, 2019)
  • Theoretische Konzepte konversationell sichtbar machen und weiterentwickeln (mithilfe von Audio- und Video-Transkriptionen)
  • Diagnosen nicht „in“ Patienten finden, sondern wie in Balints (1976) patientenzentrierter Medizin geprägt durch Aushandlungs- und Einigungsprozesse und wechselseitiges Regulieren (Döll-Hentschker, Reerink, Schlierf, & Wildberger, 2006)
  • Die Situation im Hier-und-Jetzt nicht als Konkurrenz zur Theorie sehen, sondern als Überprüfungs- und Erweiterungsmöglichkeit hin zu einem Circulus benignus, der „die gegenseitige Förderung von (wahrer) Theorie und (effektiver) Therapie” (Thomä, Kächele, & Kübler, 1985, p. 16) bezeichnet
  • Allusives Sprechen hören lernen: Vielfach machen Patienten Anspielungen, indem sie eine Begebenheit von früher oder aus ihrem Leben außerhalb des Behandlungszimmers berichten, die eine hochgradige Anspielung auf die Interaktion mit dem Therapeuten erkennen lässt (Alder, 2016)
  • Den Unterschied zwischen technischer Anwendung und interaktionalem Vollzug verstehen
  • Formate der Positionierung erkennen: Therapeuten meinen oft, Informationsfragen zu stellen. Tatsächlich informieren diese Fragen manchmal mehr als deutlich über die Positionierung des Fragenden zu einer bestimmten Thematik, die gerade verhandelt wird. Es gibt auch Fragen, deren semantische Proposition nicht das Interessante sind, sondern wie aufwendig sie eingeleitet werden (sog. „prefaces“), wie oft sich der Fragende selbst unterbricht, neu ansetzt usw.
  • Statt Patienten zu deuten, deren Deutungen deuten (Peräkylä, 2004; Dittmann et al., 2017)
  • Statt Träume zu deuten, die Berichte von Träumen deuten als (auch wörtliche) Äußerungen (Bergmann, 2000)

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