Psychotherapie wirkt, wie zuerst Annemarie Dührssen und Eduard Jorswieck in Ihrer berühmten Studie 1965 publizierten – seitdem konnte die Frage wie wirkt Psychotherapie Raum einnehmen. Nach Jahrzehnte langen „Pferderennen“, in denen sich v.a. die beiden dominanten psychotherapeutischen Schulen psychodynamischer Therapieformen und kognitiver Verhaltenstherapie um ihren Status als Goldstandard für Psychotherapie gestritten haben, kommen internationale Übersichtsarbeiten zum Stand der Psychotherapieforschung zum Ergebnis vergleichbarer Wirkungen zwischen den Behandlungsverfahren. Wie Saul Rosenzweig bereits 1936 und an späterer Stelle Lester Luborsky und Kollegen mit dem Dodo-Effekt festgestellt haben, ist es sinnvoller, nicht nach einer generellen Überlegenheit, sondern nach differenziellen Effekten im psychotherapeutischen Prozess zu suchen.
Zunächst ist es bemerkenswert, dass die psychotherapeutischen Strömungen mit ihren Gegensätzen und Widersprüchen (bspw. unbewusste vs bewusste Vorgänge oder zeitlich Vergangenes vs Aktuelles), die seit diesem Jahr im Bereich der kassenärztlichen Versorgung in Deutschland um die Systemische Psychotherapie erweitert wurden, jeweils „heilende Wirkungen“ entfalten. Vielleicht ist es ja gerade der Gewinn psychotherapeutischer Profession, diese(erweiterten) Widersprüche nicht nur anzuerkennen und auszuhalten, sondern im Sinne einer „exzentrischen Position“ (Helmuth Plessner) bzw. einer doppelten Bewusstseinslage als Berührungspunkt von Negation und Position zu begreifen (Michael B. Buchholz): Im Sich-Entgegenlaufen der unterschiedlichen Strömungen wird ihre wechselseitige Bezogenheit erst deutlich. Eben weil Psychotherapie sich einem der komplexesten (sozialen) Systeme überhaupt widmet: Menschen-in-Interaktion und in Komplexität angereichert wird dadurch, dass diese Interaktionen analysiert werden von – Menschen. Ohne dieses Paradoxon lösen zu können, wollen wir darauf abzielen, dass es auf die Vermittlung zwischen wissenschaftlichem Nachweis der Behandlungswirkung und der Verwirklichung in der klinischen Praxis (Horst Kächele) ankommt. Dieses Ziel entspringt aus der Notwendigkeit einer Verknüpfung von Forschung und klinischer Praxis als eine Kunst, zwischen den Rollen als Wissenschaftler und Praktiker zu changieren, statt ein Dogma des Primats des einen oder anderen aufzustellen.
Aber inwiefern können wir diese Verknüpfung von klinischer Praxis oder Heilen und Forschen verstehen? Das Freud’sche Junktim von „Heilen und Forschen“ ist in psychoanalytischen Auseinandersetzungen bekannt. Hier sei es gleich noch einmal wiederholt, weil sich daran manches weiter entwickeln lässt.
„In der Psychoanalyse bestand von Anfang ein Junktim zwischen Heilen und Forschen, die Erkenntnis brachte den Erfolg, man konnte nicht behandeln, ohne etwas Neues zu erfahren, man gewann keine Aufklärung, ohne ihre wohltätige Wirkung zu erleben. Unser analytisches Verfahren ist das einzige, bei dem dies kostbare Zusammentreffen gewahrt bleibt. Nur wenn wir analytische Seelsorge treiben, vertiefen wir unsere eben aufdämmernde Einsicht in das menschliche Seelenleben.“ (Freud, 1927, S. 293)
Helmut Thomä und Horst Kächele haben immer wieder auf die „wohltätige Wirkung“ hingewiesen, die Freud aus „analytischer Seelsorge“ entstehen sah. Heute hat dieses Junktim jedoch eine etwas problematische Wirkung entfaltet daraus, dass, wer will, sich schon durch die psychoanalytische Ausbildung allein als „Forscher“ geadelt sehen kann. Akademische Forschung ist jedoch etwas ganz anderes; bevor es weiter um das Wie dieser Verbindung zwischen „analytischer Seelsorge“ und „Forschung“ gehen wird, ein weiteres Problem in der Freud’schen Version des Junktim:
„Es ist zwar einer der Ruhmestitel der analytischen Arbeit, daß [sic!] Forschung und Behandlung bei ihr zusammenfallen, aber die Technik, die der einen dient, widersetzt sich von einembestimmten Punkte an doch der andern. Es ist nicht gut, einen Fall wissenschaftlich zu bearbeiten, solange seine Behandlung noch nicht abgeschloßen [sic!] ist, seinen Aufbauzusammenzusetzen, seinen Fortgang erraten zu wollen, von Zeit zu Zeit Aufnahmen desgegenwärtigen Status zu machen, wie das wissenschaftliche Interesse es fordern würde. Der Erfolg leidet in solchen Fällen, die man von vornherein der wissenschaftlichen Verwertung bestimmt und nach deren Bedürfnissen behandelt; dagegen gelingen jene Fälle am besten, bei denen man wie absichtslos verfährt, sich von jeder Wendung überraschen läßt [sic!], und denen man immer wieder unbefangen und voraussetzungslos entgegentritt.“ (Freud, 1912, S. 380)
Was Freud hier formuliert über die wissenschaftliche Bearbeitung eines Falles, bezieht sich auf eine Zeit, in der eine Falldarstellung in medizinischen oder pädagogischen Zusammenhängen publiziert wurde, um auf das Neuartige oder Abweichende eines Falles hinzuweisen. Der Fall – das ist hier ein Patient oder eine Patientin.
Tatsächlich jedoch ist der Rat, erst nach Abschluss der Behandlung wissenschaftlich zu arbeiten, nicht mehr up-to-date. Im Gegenteil, es gibt keinen Grund, warum man das vermeiden sollte. Ein klassisches Beispiel ist jener Therapeut, der seine Band-Aufnahme einer Arbeitsgruppe in Ulm (unter der damaligen Leitung von Horst Kächele) zur Verfügung stellte, während er noch behandelte; der Grund war, dass er eine Stagnation in der Behandlung empfand. Die Arbeitsgruppe, die das Band anhörte, merkte rasch, dass der Behandler fast jeden seiner Sätze mit einem „Ja, aber …“ einleitete – was dem Behandler selbst überhaupt nicht in den Blickgekommen war. Er begriff schnell, dass damit ein Problem verbunden war, die Behandlung nahm wieder Fahrt auf.
So einfach wird es nicht immer gehen. Aber es zeigt, dass mit solchen Mitteln auch auf laufende Behandlungen positiv eingewirkt werden kann.
Die Gründungsmitglieder des Vereins haben langjährige Erfahrungen durch Kooperationen in der Untersuchung therapeutischer (psychoanalytischer, tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer) Gespräche. Das allgemeine Ziel ist die Verbesserung therapeutischer Gespräche durch Zusammenarbeit von PraktikerInnen und GesprächsforscherInnen. Die konkreten Ziele der Vereinsarbeit sind:
Psychotherapie muss in diesem Sinn nicht nur als Anwendung von theoretischem und Veränderungswissen angesehen werden, sondern v.a. als Vollzug eines performativen Wissens.
Die meisten Ausbildungen trainieren ihre Kandidaten in Theorie und deren Anwendung, übersehen aber, dass Anwendungen nur im technischen Bereich möglich sind. Im humanen Bereich muss Psychotherapie immer durch Finden eines originellen Weges, durch Individualisierung, Interaktion und Intimität (des Sprechens) realisiert werden. Moderne Forschung mündet in der Einsicht, dass Psychotherapie für jeden Patienten geradezu singulär und neu erfunden werden muss. Das macht insbesondere die Kindertherapie unmittelbar einsichtig.
Für diese performative Dimension des therapeutischen Könnens werden Psychotherapeuten zu wenig geschult. Und Konversationsforscher übernehmen zu leicht die Theorien, die innerhalb der Psychotherapie ausgebildet wurden. Hier, genau an dieser Stelle setzt der Kooperationsbedarf für ein institutionalisiertes Junktim ein. Die oben genannten differenziellen Effekte lassen sich daran zeigen, dass es beschreibbare Momente des therapeutischen Prozesses gibt, an denen viel entgleisen oder aber gelingen kann.
Außer den regelmäßigen Mitgliederversammlungen und Jahrestagungen sollen die Mitglieder zu Themen ihrer Wahl Arbeitsgruppen bilden, die sogenannten JUNKTIM Qualitätszirkel. Wichtig ist, dass in den Arbeitsgruppen nicht nur ForscherInnen, sondern mindestens ein/e KlinikerIn vertreten sein sollte, nach Möglichkeit aber mehr. Am besten paritätisch, aber das wird die Zukunft weisen und ist ja abhängig von der Anzahl der entsprechenden Mitglieder.
Generelle Leitlinie, unter denen solche Gruppen arbeiten, muss ein Prinzip sein, dass die Besprechungen keine Supervisionen sind. Es geht nicht darum, einem Material vorstellende/n KlinikerIn zu sagen, was diese/r besser täte oder besser ließe. KlinikerInnen behalten die volle Verantwortung für die Durchführung der Behandlung. Ziel muss sein, dass die Gesprächsanalyse lernt, mit welchen Themen und Problemen sich KlinikerInnen mühsam beschäftigen, wie diese in den Theorie-Korpus der Gesprächsanalyse übersetzt werden können und Ziel muss andererseits sein, dass KlinikerInnen lernen, dass und wie sie durch ihre kommunikative Mitbeteiligung den Prozess unbewusst steuern, nämlich auf eine Weise, für die die Gesprächsanalyse etwas mehr Aufmerksamkeit entwickelt hat, während sie in der klinischen Erörterung meist zu wenig beachtet wird. Formen der Arbeitsgruppen sollten, aber nicht nur, wie folgt gestaltet werden:
Therapeutische Wirklichkeit anhand tatsächlicher Psychotherapie-Konversationen zu untersuchen, ist bereits vielfach und fruchtbar entfaltet worden. Beispielhaft für diese gesprächsanalytischen Untersuchungen therapeutischen Sprechens sind als Folgen für die Praxis aus Analysen von der Praxis lehr- und lernbar:
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To what extent can we understand this linkage of clinical practice or healing and research? The Freudian junction of “healing and research” is well known in psychoanalytic debates. It is worth repeating here because it can be developed further.
The founding members of the association have many years of experience through collaborations in the study of therapeutic (psychoanalytic, depth psychological and behavioural) conversations. The general aim is to improve therapeutic conversations through cooperation between practitioners and conversation researchers. The concrete goals of the association’s work are:
Apart from the regular general meetings and annual conferences, the members should form working groups on topics of their choice, the so-called JUNKTIM quality circles. It is important that not only researchers but at least one clinician should be represented in the working groups, but more if possible. Ideally, there should be equal representation, but only time will tell and this depends on the number of members.
Examining therapeutic reality on the basis of actual psychotherapy conversations has already been fruitfully developed many times. Exemplary for these conversation-analytical investigations of therapeutic speaking are teachable and learnable as consequences for practice from analyses of practice:
Alder, M.‑L. (2016). Dream-Telling Differences in Psychotherapy: The Dream as an Allusion. In L. A. Cariola & A. Wilson (Eds.), Special Issue: Vol. 5. Conversational Analysis in Psychotherapy Process Research. Guest Editors: Prof. Michael B. Buchholz and Prof. Horst Kächele (Vol. 5, pp. 19–26). https://doi.org/10.7565/landp.v5i2.1558
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